Predigt 4 Pfarrer Rebstock

Predigt am Konfirmationssonntag, 2. April 2000, in der Friedenskirche

über Matthäus 22, 37 - 39

Motto: Liebe ist es, die uns alle und die Welt erhält

Liebe Gemeinde!

"Sei gepriesen, o Herr", so haben wir eben gesungen. Wenn wir Gott loben und ihm danken für das, was er uns schenkt, dann können wir das nur dann richtig tun, wenn wir ihn auch lieben.

Ohne Liebe zu Gott wäre unser Dank gespielt und nur äußerlich. Er käme nicht von Herzen und wäre eine reine Pflichterfüllung.

Darum möchte ich heute, am Konfirmationstag, etwas über die Liebe zu Gott und über die Liebe unter uns Menschen sagen.

Jesus hat einmal einem Gesetzeslehrer gegenüber die Liebe zu Gott und zu den Menschen in einem sogenannten doppelten Liebesgebot beschrieben.

Die Konfirmandinnen und Konfirmanden haben es im Unterricht auswendig gelernt:

Jesus antwortete einem Gesetzeslehrer, der ihn nach dem höchsten Gebot gefragt hatte:

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot.Das andere aber ist dem gleich: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (Matthäus 22, 37 - 39)

"Du sollst lieben, du sollst lieben . . ." Bei diesen Worten stutzen wir schon. "Liebe lässt sich doch nicht befehlen!", wollen wir einwenden. "Liebe ist nur echt, wenn sie spontan ist und aus dem Herzen kommt. Liebe, die befohlen oder erzwungen ist, kann niemals echte Liebe sein."

Wie kann also Jesus nur uns befehlen, dass wir lieben sollen: zuerst Gott, den Vater im Himmel, und dann auch einander, und zwar in dem Maße, in dem wir uns selber auch lieben?

Jesus kann das nur deswegen tun, weil er voraussetzt, dass wir alle schon Liebe erfahren haben.

Unser Herz ist schon immer von der Liebe anderer angerührt worden.

Ich glaube, niemand ist unter uns, der noch nie ein liebes Wort oder eine liebe Geste von einem andern empfangen hat.

Schon als ganz kleine Kinder, als wir noch in den Armen unserer Eltern lagen, sind wir mit Liebe umgeben, ja geradezu übergossen worden. Haben wir das alles vergessen?

Außerdem: Auch die Liebe von Gott her ist uns geschenkt worden. Als wir das erste Mal in unserem Leben von Gott hörten und zu ihm Vertrauen fassten, haben wir seine Liebe über uns gespürt.

Von Gott kann man gar nicht anders reden als so, dass er uns liebt.

Im ersten Johannesbrief heißt es:

Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (1.Johannes 4, 16 b).

Und vorher haben die Konfirmandinnen und Konfirmanden bei den Kernstücken des Glaubens jenen Bibelvers aus dem Johannesevangelium gesagt:

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern da ewige Leben haben (Johannes 3,16).

Jesus selber war diese Liebe Gottes in Person. Als solch eine Person der Liebe ist er von seinem himmlischen Vater zu uns gekommen.

Das setzt er voraus, wenn er seinen Jüngern das Gebot gibt, sie sollten Gott lieben.

Wenn Gott uns wirklich liebt, was bedeutet das für uns?

Er nimmt uns so an, wie wir sind. Ich bin ihm recht, wie ich bin: mit allen Ecken und Kanten,

mit allen Fehlern und Ungereimtheiten, mit all meinen Wünschen, meinem Verlangen und mit meinen Enttäuschungen, mit allen meinen Stärken und Schwächen.

Es ist wirklich wichtig, dass wir uns diese Voraussetzung des Liebesgebots immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen und nie mehr vergessen.

Viele Bibelworte sprechen von dieser Liebe, die uns Gott erweist, so auch einige der Denksprüche, die die Konfirmandinnen und Konfirmanden nachher erhalten werden. Ich will einige nennen:

Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung (Römer 13,10).

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht (2.Timotheus 1,7).

Lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus (Epheser 4,15).

Fröhlich lass sein in dir, die deinen Namen lieben! (Psalm 5, 12).

Der Herr richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi. (2.Thessalonicher 3,5).

Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben. (Epheser 5,2).

An diesen Sprüchen können wir erkennen, dass uns Gott liebt und in uns die Gegenliebe zu ihm weckt.

Gott lieben, das kann auch so ausgedrückt werden: dass wir an ihm hängen, an ihm bleiben oder ihn suchen.

Davon reden ebenfalls einige Denksprüche unserer Konfirmandinnen und Konfirmanden:

Christus spricht: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht (Johannes 15,5).

So spricht der Herr: Suchet mich, so werdet ihr leben (Amos 5,4).

Tu mir kund den Weg, den ich gehen soll; denn mich verlangt nach dir (Psalm 143,8).

Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich (Psalm 63, 2 + 9 ).

Und es gibt ein biblisches Bild, das Bild vom Hirten, der sich mit vollem Einsatz um seine Schafe kümmert. Auch das ist ein Bild für die Liebe, die wir von Gott her erfahren.

Diesen Bildspruch bekommt Alexandra als mit auf ihren Weg:

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln (Psalm 23,1).

Aber welche Rolle spielt die Liebe im Leben unserer Konfirmandinnen und Konfirmanden wirklich?

Denken wir zunächst einmal an die zwischenmenschliche Liebe.

Es gibt zwar Regungen von Liebe unter ihnen. Sie schafft sich unter ihnen Ausdruck in Freundschaften oder in Brieflein, die oft auch mitten im Unterricht hin und her gewandert sind. Auf der anderen Seite erleben unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden auch schon, dass unser Zusammenleben so nüchtern und sachlich geworden ist, dass dabei Liebesbezeigungen wenig oder gar keinen Platz haben. Wenn Liebe zum Ausdruck gebracht wird, wird das oft als unpassend oder gar als peinlich angesehen.

Und doch wissen wir, dass ohne Liebe im Leben nichts gelingen kann.

Ich meine jetzt nicht nur die persönliche Liebe, die Menschen miteinander verbindet, sondern ich denke auch an die Liebe zu dem, was wir tun.

Nur wer seine Aufgaben im Beruf, in der Familie oder in der Schule mit Liebe tut, dem gelingen sie wirklich.

Nur wer bei seiner Arbeit in Liebe an die Menschen denkt, denen er mit seiner Arbeit dient, der tut sie recht und gut.

Mich hat einmal eine Frage unseres Schuldekans verblüfft. Er hat sie mir gestellt, als er einmal meinen Religionsunterricht besuchte. Er fragte mich: "Lieben Sie die Kinder?" Diese Frage hatte ich mir bis dahin noch nie gestellt. Dass man als Lehrer die Kinder, die man unterrichtet, wirklich lieben soll, ja , lieben muss, ist mir seither bewusst geworden. Schimpfen und Strenge helfen letztlich nicht weiter und motivieren die Kinder nicht zum Lernen, wenn sie nicht gleichzeitig spüren, dass der Lehrer oder die Lehrerin sie mag - auch dann mag, wenn sie keine so guten Leistungen erbringen, wie sie der Lehrer oder die Lehrerin erwarten.

In einem Kinderlied lautet eine Strophe:

Jesus hat die Kinder lieb.

So geht es um die Welt.

Liebe ist es, die uns alle

und die Welt erhält.

Diesen Satz habe ich zum Motto der heutigen Predigt gemacht:

Liebe ist es, die uns alle und die Welt erhält.

Die Liebe erhält uns alle und erhält die Welt! Dank der Liebe Gottes dürfen wir leben. Und mit der Liebe, die wir an andere weitergeben, ermöglichen wir den anderen, dass auch sie sich am Leben freuen können.

Kehren wir zu dem Doppelgebot der Liebe zurück, wie ich es vorhin verlesen habe.

Ich finde, was uns Jesus hier gibt, ist eine gute Grundregel, an der wir uns orientieren können, die Jungen ebenso wie die Älteren.

Eigentlich ist es nicht nur ein Doppelgebot, sondern ein dreifaches Gebot.

Wir müssen mit dem letzten der drei genannten Gebote beginnen. Dieses heißt: Liebe dich selbst.

Denn Jesus sagt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Sie werden denken: "Seit wann ist es erlaubt, in der Kirche den Egoismus zu predigen? Liebe dich selbst- heißt das nicht: Sei egoistisch ? Haben wir nicht genug Egoisten unter uns, und macht nicht der Egoismus das Zusammenleben so schwer?"

In der Tat; wir kenne sie, die Egoisten. Der Egoist sieht nur sich selbst und seine Wünsche, Maßstäbe und Ansichten. Was andere denken, zählt bei ihm nicht. Er prescht mit seinem Auto durch Wohnstraßen, wo er nur 30 Kilometer fahren soll, ohne Rücksicht auf Fußgänger und Radfahrer. Der Egoist nimmt sich am Kaffeetisch das größte Stück Kuchen und drängt sich an der Ladentheke vor. Er ist ist hart und geizig gegenüber anderen; er neigt bei jeder Gelegenheit zum Hohngelächter und ist streng in seinen Urteilen über andere. Er achtet nur sich selber und verachtet alle anderen.

Nein, dem Egoismus redet Jesus doch nicht das Wort!

Er redet im Gegenteil zu Leuten, die sich aus dem, was sie tun und denken, ein Gewissen machen.

Und ich glaube, gerade ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden macht euch oft ein Gewissen und fragt euch: "Was habe ich jetzt wieder getan? Wieder ist mir ein Wort unbedacht über die Lippen gerutscht. Wieder habe ich mich daneben benommen. Wieder habe ich meine Kameraden mit meinem Spott und mit meiner Angeberei verletzt. Wieder habe ich auf meine Mutter, meinen Vater nicht gehört. Wieder habe ich gute Ratschläge, die mir andere gaben, in den Wind geschlagen."

Und dann kann es schon so sein, dass man sich selber verächtlich, klein, erbärmlich vorkommt; dass man an sich selber zweifelt und sein eigenes Gesicht nicht mehr leiden kann, wenn man in den Spiegel schaut.

Aber Jesus will, dass wir uns zuerst so annehmen, wie wir sind. Wenn uns Gott so liebt, wie wir sind, das will er uns deutlich machen, dann können wir uns so lieben, wie wir sind.

Denken wir an Jesus! Gerade die Leute, die mit sich selber uneins waren, die im Unfrieden mit sich lebten - damals sagte man das so: die von bösen Geistern besessen waren -, gerade denen ist er zu Hilfe gekommen, hat sie von ihren Gewissensqualen befreit und ihnen dazu geholfen, dass sie sich selbst wieder lieben konnten.

Wer sich selber lieben kann, kann auch andere lieben, das heißt: sie so annehmen, wie sie sind, ohne sich darüber aufzuregen.

Der Jugendliche, der mit sich selber im Einklang ist, kann mit seinen Eltern im Einklang leben, auch wenn es vieles gibt, was er an ihnen nicht so gut findet. Aber er weiß ja: "Auch an mir ist vieles, was auch nicht so gut ist."

Wenn wir uns selber und die anderen annehmen können, ist der Weg frei, dass wir uns auch Gott zuwenden können, dem, der alles in seiner Hand hat: das, was uns freut und froh macht, zum Beispiel auch die Freude, die uns am heutigen Festtag erfüllt, und das, was uns Kummer macht, was uns belastet, zum Beispiel die nächste Arbeit in der Schule oder die Frage, was für einen Beruf ich lernen soll, oder dass der Freund oder die Freundin nichts mehr mit mir reden will.

Gott erhält also uns und die ganze Welt dadurch, dass er in Jesus seine Liebe in diese Welt gebracht hat. Diese Liebe kann keine Macht mehr auslöschen, auch wenn sich Menschen immer wieder neue Schrecklichkeiten ausdenken, um dem Hass, der Unterdrückung und der Menschenverachtung den Weg zu bahnen.

Diese Liebe darf und soll Euren weiteren Weg bestimmen, liebe Konfirmandinnen und liebe Konfirmanden.

Darum sucht die Gelegenheiten, bei denen ihr von dieser Liebe Gottes immer wieder neu hören könnt: hier in der Gemeinde oder bei christlichen Jugendtreffen oder auch in der Jugendgruppe, die am 2.Mai für euch im Gemeindehaus beginnt.

Das gilt aber auch für Sie, die Eltern und Paten und die anderen Verwandten und Bekannten unserer Konfirmandinnen und Konfirmanden: Immer wieder dürfen wir von dieser Liebe Gottes nehmen: morgens, wenn wir aufstehen; abends, wenn wir uns ins Bett legen; an schönen, sonnigen Tagen ebenso wie an verregneten und verschneiten Tagen; in Zeiten der Freude ebenso wie in Zeiten der Trauer und der Not.

Und wir können solche Erfahrung von Liebe jederzeit die anderen, die mit uns auf dem Weg sind, spüren lassen.

Jesus hat die Menschen lieb.

So geht es um die Welt.

Liebe ist es, die uns alle

und die Welt erhält.



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