|
Der heutige Predigtabschnitt ist die
genaue Fortsetzung des Predigttextes vom vergangenen Sonntag.
Wer von denen, die letzten Sonntag in
der Kirche waren, erinnert sich noch, worüber unser Vikar Seibold
am letzten Sonntag gepredigt hat?
Es war ein Abschnitt vom Ende des ersten
Kapitels im ersten Brief des Paulus an die Korinther.
Was war der Inhalt?
Paulus hat über die Gemeinde in Korinth
geschrieben. Er hat darauf hingewiesen, wer alles zur Gemeinde gehört.
Und das Ergebnis war: Nicht viele gescheite
Leute, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene gehören zur
Gemeinde. Es sind alles Leute, die man mit dem Sammelbegriff "Schwache"
kennzeichnen kann.
"Trotzdem", so hat Paulus den Korinthern
gesagt, "hat Gott gerade euch schwache Leute in seine Gemeinde berufen."
Dabei ist Ihnen vielleicht auch klar geworden,
dass die Christen in der Welt eigentlich immer als die Dummen dastehen,
weil sie sich nicht zu den Mächtigen halten; weil sie auf einen Gott
vertrauen, den man nicht sehen und vorweisen kann, und auf einen Herrn,
der auf Golgatha gekreuzigt wurde.
Das kann die Welt nicht verstehen. Die
Welt sucht Glanz und Macht, sichtbaren Prunk und hörbares Lobgeschrei.
Nun schreibt der Apostel im zweiten Kapitel
diese Briefes weiter. Zur Predigt sind uns die Verse 1 bis 10 gegeben.
Jetzt kommt er auf sich selber zu sprechen,
auf seine eigene Person, und er zeigt, wie auch er keineswegs ein Angesehener
oder Mächtiger dieser Welt ist, sondern ebenfalls ein Schwacher, genauso
schwach wie die Leute, denen er predigt, und trotzdem doch stark durch
die Gnade, die von Jesus kommt.
Hört nun, was er nach Korinth geschrieben hat.
Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf GottesKraft. Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen;nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
Sondern es ist gekommen, wie geschrieben
steht (Jesaja 64,3):
"Was kein Auge gesehen hat und kein
Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott
bereitet hat denen, die ihn lieben."
Uns aber hat es Gott offenbart durch
seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der
Gottheit.
1.Korinther 2, 1 - 10
"Ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern", schrieb der Apostel seinen Mitchristen in Korinth.
Man stelle sich vor: Ein heutiger Bischof
würde im Rückblick auf einen Besuch in einer Gemeinde schreiben:
"Ich war voller Angst und Zittern unter euch." Wie würde das wirken?
Muß nicht ein Bischof ein starker
Mann sein, der sich durch nichts erschüttern lassen darf?
Stellen wir uns vor, ein Politiker würde
rückblickend zugeben, dass er in einer bestimmten schwierigen politischen
Situation Angst gehabt hat, dass das große Zittern über ihn
gekommen ist und er nicht mehr Herr der Lage war. Sein Ansehen wäre
dahin, und nicht lange würde es dauern, bis man seinen Rücktritt
fordern würde mit der Begründung: "Er ist den Aufgaben seines
Amtes nicht gewachsen", oder: "Er ist als Kanzler oder als Minister oder
als Ministerpräsident unfähig." Denn ein Volk erwartet von einem
Mann, der an der Spitze steht, daß er immer stark ist, in jeder Lage,
und niemals eine Schwäche zeigt.
Außerdem: wenn man etwas bewegen
will, dann ist es nötig, dass man stark und selbstbewußt auftritt
und dazu noch in Worten gewandt ist und anderen zeigt, daß man gebildet
ist.
Aber auch in dieser Hinsicht ist bei Paulus
Fehlanzeige.
Er schreibt: "Liebe Brüder, als ich
zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das
Geheimnis Gottes zu verkündigen."
Sicher, Paulus übertreibt hier ein
wenig. So dumm war er nun doch nicht. Er kannte sich zumindest gut in den
fünf Büchern Mose, in den Psalmen und in den Prophetenbüchern
aus, und er konnte klare Gedankengänge fassen und darlegen, wie seine
Briefe beweisen.
Bis heute zehren wir von dem, was er in
seinen Briefen über Jesus Christus, sein Leiden am Kreuz und seine
Auferstehung und über das Leben aus dem Glauben gelehrt hat. Nicht
ohne Grund hat die Alte Kirche alle Briefe, die von Paulus noch erhalten
waren, in das Neue Testament aufgenommen.
Aber Paulus hat sein Wissen nicht an die große Glocke gehängt, und daher erschien er vor den Korinthern als ein unscheinbarer und wenig gebildeter Mann.
Es gab wohl andere religiöse Prediger, die den Korinthern größeren Eindruck machten als dieser Mann, der vorgab, dass er nur den an Kreuz gestorbenen Jesus verkündigen könne. Diese anderen Prediger waren Anhänger einer anderen Glaubensrichtung, die man "Gnosis" nannte. Die Anhänger dieser Religion schwärmten vom verherrlichten, vollkommenen Menschen, der sich jetzt schon göttlich fühlen dürfe, weil er ja durch den "Lichtfunken Gottes", wie sie sich ausdrückten, schon erlöst sei.
Wie stehen wir dazu, wenn Menschen ihre Schwachheit vor uns zeigen?
Auch bei uns ist Schwachheit gering geachtet, ja, geradezu verpönt, und wo Menschen Schwachheit zeigen und auch offen zugeben, ist das peinlich.
Es gibt aber doch viele Schwache unter
uns. Wer sind solche Schwachen? Es sind die alten Menschen, deren Zahl
im Vergleich zu den jungen immer größer wird.
Es sind die kranken Leute, die in den
Krankenhäusern liegen. Bei manchen ist es schon abzusehen, daß
sie bald sterben werden. Andere müssen sich zu Hause von ihren Kindern
und Enkelkindern pflegen lassen. Die meisten dieser schwachen Leute genieren
sich, es auch nur mit einem
Wort zum Ausdruck zu bringen, daß
sie nun zu den Schwachen gehören und versorgt und verpflegt werden
müssen und daß sie nichts mehr bewegen können.
Allenfalls kann man von ihnen gelegentlich
einen Seufzer hören, mit dem sie sich unter der Last ihres Leidens
ein wenig Luft machen.
Aber es gibt noch mehr Schwache unter uns.
Jedes Kind zählt zu den Schwachen. Denn ein Kind ist ja nicht der
Lage, für sich selbständig zu sorgen. ist. Ein Kind braucht immer
Anleitung und Hilfe; es muß geführt werden. Aber welches Kind
gibt zu, daß es zu den Schwachen gehört? Schon die kleinen Kindern
heben die Arme hoch, zeigen ihre Muskeln und sagen: "Ich bin stark! Ich
kann alles!" Ja, und dann gibt es auch die Lernschwachen und diejenigen,
die in der Schule keinen Abschluß schaffen.
Und es gibt die Behinderten, die auf der
Schattenseite leben müssen. Und schließlich gibt es noch die
sozial Schwachen. Das sind nicht körperlich, auch nicht geistig schwache
Menschen, sondern solche, die nicht genug zum Leben haben und ganz bescheiden
am Rande der Gesellschaft leben müssen.
Und wie geht es diesen Schwachen in unserer Gesellschaft? Sie werden weithin abgestoßen! Nur wenige sind es, die ein Herz für sie haben und sich um sie kümmern. Vor allem müssen sie aus dem Rampenlicht der Öffentlichkeit verschwinden. Wenn zum Beispiel ein Bettler auf der Straße sitzt und seine Hand hinhält, wird das allgemein als ein Ärgernis angesehen. Man ruft nach dem Staat und fordert, daß der Bettler irgendwohin gebracht wird, wo er öffentlich nicht mehr auffällt. Die Anwesenheit von Schwachen empfindet man als peinlich. Darum müssen sie aus den Augen derer, die sich für stark halten, verschwinden.
So ist es auch dem Apostel Paulus gegangen,
als er zum ersten Mal nach Korinth kam.
Es muß für ihn furchtbar gewesen
sein. Die Leute haben ihn zunächst nicht ernst genommen. Man kann
es kaum erahnen, wieviel Hohn und Spott er über sich ergießen
lassen mußte, bis dann die ersten unter seinen Zuhörern doch
etwas an dem gefunden haben, was er predigte; bis dann doch Gott durch
seinen Geist bei diesem und jenem den Glauben an Christus weckte.
Wenn man die beiden Korintherbriefe durchliest, besonders den zweiten Korintherbrief, dann merkt man an vielen Stellen, wieviel der Apostel Paulus erleiden musste. Denn viele sind gegen ihn zu Felde gezogen, wollten ihn mundtot machen und haben ihm jedes Recht zur Predigt abgesprochen. Es waren sicher die Leute von der Sekte der Gnosis, wie ich schon vorher sagte. Trotzdem ist gerade Paulus der bedeutendste Apostel geworden, noch bedeutender als Petrus.
Auch Petrus zählte zu den Schwachen, obwohl er in Jerusalem eine "Säule" der Gemeinde genannt wurde. Mit dem Fehler, den er sich geleistet hat, als er Jesus rundweg verleugnete, und das heißt doch: als er sich feierlich und öffentlich von Jesus lossagte, mit diesem Fehler hatte er sich eigentlich alles verscherzt. In der Politik würde einem ein solcher Fehler nie mehr verziehen. Man wäre sein Amt auf Lebenszeit los. Aber wir haben es in der Schriftlesung gehört (Johannes 21, 15 - 19): Der auferstandene Herr ist auf Petrus zugegangen, hat ihn noch einmal ganz vorsichtig an das erinnert, was er getan hatte, als er ihn dreimal fragte: "Hast du mich lieb?" Da wurde dem Petrus bewußt: Dreimal habe ich mich von meinem Herrn losgesagt. So hat Petrus das Wunder erfahren, daß ihn Christus trotz allem, was vorgefallen war, als Apostel seiner Gemeinde gebrauchen konnte, als den Felsen, auf dem er seine Gemeinde bauen wollte, wie er es ihm schon lange vorher zugesagt hatte.
So erwählt Gott die Schwachen, um
mit ihnen sein Reich zu bauen.
Gehören auch wir zu denen, die er
erwählt hat?
Ist es auch Ihnen schon so gegangen, daß
man Sie ausgelacht hat, weil Sie sich zur Kirche halten? -. weil Sie nicht
zur Mehrheit derer gehören, die sonntags morgens ausschlafen oder
zum Sport gehen? - weil sie zur Minderheit derer gehören, die sich
von den Kirchenglocken rufen lassen?
Wir müssen zwar keine öffentliche
Verfolgung erleiden, wie es in anderen Ländern der Fall ist, in denen
Christen politisch unerwünscht sind, zum Beispiel in Teilen Indonesiens
oder in der Türkei .
Aber wir erleben - und das ist auf Dauer
vielleicht noch schwerer zu ertragen als eine öffentliche Verfolgung
- diese kleinen Nadelstiche, die immer wieder gesetzt werden, sozusagen
zwischen den Zeilen, unter der Hand: das Hohngelächter hinter der
vorgehaltenen Hand, das lästerliche Gerede am Stammtisch über
die Kirchenspringer und damit verbunden die Geringschätzung der Bibel
und des Wortes Gottes.
Ja, es ist zum Traurigwerden, wenn man
bedenkt, wie sich viele Menschen von der Kirche abgewandt haben und sich
auch in Zukunft noch abwenden werden.
Sie verlassen ihre Kirche, obwohl sie
eigentlich zur Kirche gehören und obwohl sie getauft wurden, Unterricht
erhielten und sich auch konfirmieren ließen..
Aber Gott will zu allen kommen, auch zu
denen, die sich von ihm abwenden.
Er will auch zu denen kommen, die sich
schwach fühlen vor der Übermacht des Spottes und der Feindseligkeiten,
die ihnen entgegen schlägt, sobald sie sich zu ihrem Glauben bekennen.
Er will zu allen kommen, und er nimmt
alle an: ohne Vorbedingungen und Fähigkeiten, ohne Vorleistung.
Und jeden beruft er zu seinem Boten, wie
er auch den Petrus und den Paulus berufen hat
Was ist dafür notwendig, um sein Bote
sein zu können? Nur Eines, im Grunde genommen wenig und doch alles.
Der Apostel sagt es in diesem einen Satz: "Ich hielt es für richtig,
unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten."
Jesus Christus, der Herr, der sich auf
Golgatha kreuzigen ließ, das zu wissen, genügt; das allein soll
unser Tun und Denken bestimmen; daran sollen wir all unser Tun und Denken
messen lassen.
Wir müssen keine gebildeten Leute
sein, keine Akademiker, keine Gymnasiasten oder sonst etwas. Auch die ganz
einfachen Menschen können das verstehen und erfassen.
Selbst geistig Behinderte können
das verstehen. Man muß nur einmal nach Stetten gehen und zuhören,
wenn mit ihnen Gottesdienst gefeiert wird. Da kann man sehen und hören,
wie auch geistig Behinderte etwas verstehen von ihrem Herrn, von seinem
Leiden am Kreuz und von der Liebe, die dort aufgeleuchtet ist.
Daher dürfen wir ihm auch die kleinen
Kinder in der Taufe anvertrauen, die Kleinen, die von der Schwachheit,
in der sie einmal stehen werden, und von der Kraft, mit der sie Gott ausrüsten
wird, noch nichts wissen können. Wohl uns, wenn wir als Eltern und
Paten die Kinder im Gebet so begleiten. Dann werden sie später einmal
selbst die Erfahrung des Paulus machen, dass ihr Glaube nicht auf Menschenweisheit,
sondern auf Gottes Kraft beruht, wie der Apostel sagt.
Die Kraft Gottes hat sich bei Paulus in
ihm in aller Schwachheit gezeigt.
Auch wir dürfen Gott zutrauen, dass
er mit uns schwachen Leuten etwas anfangen und sein Reich bauen kann und
daß wir einmal Mitbürger bei ihm sein dürfen, wenn er sein
Reich vollenden wird.
Er will nun weiter mit uns Kleinen und
Schwachen auf dem Wege sein, auch mit den Kindern, die er uns anvertraut
hat. Er will uns gewiss, sicher und zufrieden machen, damit wir trotz aller
Ängste, trotz allem Zittern, das uns immer wieder ankommt, stets wissen:
"Wir werden einmal in Gottes Reich gelangen und dort seine Kraft vollständig
erfahren." Amen.
Konrad Rebstock