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Predigt von Pfarrer Hans-Georg
Karle
Gehalten
zum 19. Januar 2003 in der baptistischen Gemeinde
in Urbach
Biblischer
Text: Johannes 2,1-11
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Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht ge-kommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
Liebe Mitchristen!
I
Was wir gerade gehört haben ist eine umstrittene Geschichte. Kaum ein Wunder
Jesu ist wohl so oft angezweifelt worden wie dieses. Warum? Nicht deshalb, weil
es so unwahrscheinlich erscheint. Warum sollte der, der mit fünf Broten und zwei
Fischen fünftausend gesättigt und dann noch 12 Körbe übrig hatte, nicht auch aus
sechs gro-ßen Wasserkrügen ca. 600 Liter Wein machen können? Möglich ist das
durchaus, wenn wahr ist, dass Gott kein Ding unmöglich ist und er seinem Sohn
Voll-macht gegeben hat, in seinem Namen große Dinge zu vollbringen. Aber - so
wurde und wird immer wieder gefragt - ist dieses Wunder auch sinnvoll? Wenn ein
Blinder durch Jesus sehend wird, dann macht das Sinn. Und wenn Hungernde
gespeist wer-den, dann ist das notwendig. Aber wenn eine Hochzeitsgesellschaft
Wein bekommt, noch dazu in sol-chen Mengen und zusätzlich zu dem, was schon
getrunken wurde - wozu eigentlich? So mancher hat schon Anstoß daran genommen,
wie z.B. jener schwäbische Stundenbruder, der sei-nem Nachbarn, der allzu
weltlich gesinnt ist, Vorhaltungen macht, weil er so viel Wein trinkt. Dieser
wehrt sich schlagfertig und sagt: "Am Wein ist doch nichts Schlimmes! Sogar der
Herr Jesus hat aus Wasser Wein gemacht bei der Hochzeit zu Kana!" Worauf der
Stundenbruder nur seufzend antworten kann: "Ja, des isch au net grad sei bescht
Stück gwä!" Und trotzdem steht diese Geschichte im Johannesevangelium und zwar
gleich am Anfang, zu Beginn von Jesu Wirksamkeit, was doch wohl eine gewisse
Bedeutung haben muss. Nach Johannes beginnt Jesus sein öffentliches Wirken dort,
wo Menschen fröhlich beieinander sind bei einem Fest. Er feiert mit. Er nimmt an
der Freude der Menschen um sich herum teil. Jesus kommt in die Welt nicht als
finsterer Asket oder als griesgrämiger Spielverderber. Er will unser Leben heil
machen, nicht verderben. Die Welt mit all ihren schönen Dingen, die ja Gott
gemacht hat, wird von ihm bejaht. Und dort, wo Hochzeit gefeiert wird, bejaht
man das Leben. Zwei Menschen verbinden sich zu der glücklichen Gemeinsamkeit,
die sich Gott für seine Menschen als schönste irdische Gabe ausgedacht hat. Das
gilt es zu feiern, wenn ein Mann und eine Frau zueinander in Liebe gefunden
haben und bereit sind, ihr ganzes Leben miteinander zu teilen, in Freude und
Leid, in guten und in schweren Stunden. Das ist wirklich der Freude wert, vor
allem auch der Mitfreude derer, denen diese jungen Menschen ver-bunden sind.
Genauso ist es ein Grund zur Freude, wenn jemand in Dankbarkeit seinen
Geburtstag feiert und viele einlädt, die ihm am Herzen liegen und damit kundtut:
Freut euch mit mir, dass Gott mir wieder ein Le-bensjahr geschenkt und er mich
bis hierher gnädig geführt und geleitet hat. Jesus will da durchaus auch dabei
sein. Oder wenn jemand einen beruflichen oder sonstigen Erfolg feiert und sich
darüber freut, wenn andere sich mit ihm freuen, dass ihm dies mit Gottes Hilfe
gelungen ist… Vielleicht müssen wir uns das neu ins Bewusstsein rufen, dass da
Jesus durchaus dabei sein kann und will. Wir kennen Jesus vor allem als den, der
die Mühseligen und Beladenen zu sich gerufen, der sich der Ausgestoßenen und
Zu-kurz-Gekommenen , der Verachteten, Ausgerutschten und Gescheiterten
an-genommen hat. Wir sehen Jesus immer wieder bei den Weinenden, Stöhnenden,
Verbitterten, Hoff-nungslosen. Das ist richtig und daran gibt es nichts zu
korrigieren. Aber insofern bedarf das Bild, das wir von Jesus haben, einer
Korrektur, als wir ihn als den Heiland auch der frohen und Glücklichen
entde-cken sollten. Haben unsere Kirchen nur ein Wort für die Traurigen und
Trostbedürftigen? Haben sich viele Fröhliche deshalb abgewandt, weil wir ihnen
diesen Christus, den Herrn auf dem Fest zu oft vorenthalten haben? Jesus
jedenfalls ist mit seinen Jüngern auf dem Fest. Man hat ihn eingeladen. Er ist -
zunächst - nur Gast. Wie ist das, wenn Jesus eingeladen, willkommen geheißen und
so "dabei" ist? Unser Fest - und ER unter den Gästen! Lasst uns die Linie weiter
ziehen: Unser Haus - und ER hat Zutritt. Unser gemeinsames Leben - und ER
unsichtbar mit drin. Unsere Mahlzeiten - und wir beten (ganz bewusst) "Komm,
Herr Jesu, sei unser Gast…!" In unserer Geschichte verlautet nichts davon, dass,
weil Jesus da war, viele frommen Worte geredet worden seien. Aber seine
Gegenwart wird wirksam: In der Art wie wir unser Leben ansehen, wenn wir Ihn mit
hinein nehmen; in der Weise unseres Umgangs mit unseren Mitmenschen; in dem, was
wir tun und lassen. Das wird dann nicht verkrampft, sondern ganz
selbstverständlich und frei. Da ist plötzlich ein anderer Geist. Unser Leben
wird dann plötzlich zu einem Fest, nicht weil gerade Hochzeit oder Ge-burtstag
ist, sondern weil Jesus da ist. Da ist dann unser Alltag nicht mehr wässrig und
fad schme-ckend, sondern er bekommt Fülle, Freude, Geschmack! Das Reich Gottes,
- so wird es in den Evangelien immer wieder gesagt - ist mit einem Fest, mit
einer Hochzeit zu vergleichen. Und wer mit diesem Reich Gottes rechnet, dessen
Leben wird schon jetzt fest-lich. Warum fasten, wenn der Bräutigam da ist? Jesus
macht unser Leben zum Fest. Wenn wir IHN zu Gast haben in unseren Häusern und in
unseren Herzen, dann können wir unser Christsein ganz spontan, frei und
unbekümmert ausleben. Da kann es ungezwungen zugehen und fröhlich - ohne die
Kleinlichkeit und Pedanterie, Ängstlichkeit und Verkrampftheit von
Gesetzesmenschen, sondern vielmehr in der herr-lichen Freiheit der Kinder
Gottes. Und deshalb ist es keineswegs zufällig, dass nach dem Johannesevangelium
Jesu Wirksamkeit auf einem Fest beginnt. Es ist geradezu Programm!
II
Darauf
deuten auch die Einzelheiten in dieser Geschichte hin. "Das ist das erste
Zeichen, das Jesus tat", erzählt Johannes. Und in der Tat steckt diese
Geschichte voller hintergründiger Zeichen, Hinweise und verborgener Andeutungen
auf eine tiefere Wahrheit. Es geht eben nicht bloß um eine wundersame
Weinbeschaffung, um ein spontanes Aus-der Patsche-Helfen Jesu, weil den
Gastgebern bei der Hoch-zeit der Wein auszugehen droht. (Wäre es nur das, dann
hätte der Stundenmann mit seiner Behaup-tung Recht, dies sei nicht gerade Jesu
bestes Stück gewesen). Maria, die besorgte Mutter Jesu, wollte wohl zunächst
dies Vordergründige, als sie ihren Sohn darauf aufmerksam macht: "Sie haben
keinen Wein mehr." Schroff, fast verletzend, weist Jesus sie zurück: "Was geht's
dich an, Frau, was ich tue." Das ist doch nicht meine Sache. "Meine Stunde ist
noch nicht gekommen." Jesus lässt sich bei seinem Handeln nicht von
irgendjemand, auch nicht von seiner Mutter, sondern nur von Gott bestimmen. Ob
es die vertrauensvolle, glaubende Haltung der Mutter ist, die dann Jesus doch
tätig werden lässt? "Was er euch sagt, das tut", sagt sie zu den Dienern - trotz
der ablehnenden Antwort ihres Sohnes. "Es standen aber dort sechs steinerne
Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte…" Nein, es ist kein
wundersames Mirakel, keine Zauber-Show, die jetzt geschieht. Alles hat seine
Bedeu-tung, ist Hinweis auf Tieferes. Die Krüge, in die Jesus das Wasser füllen
lässt, dienten den durch das Gesetz des Mose vorgeschriebenen religiösen
Waschungen. Sie sind leer und müssen gefüllt werden. Das will besagen: Mit Jesu
Kommen ist diese jüdische Reinigung sinnlos geworden, wesenlos und wir-kungslos.
Aus den Krügen gesetzlicher Frömmigkeit ist nichts mehr zu holen. Wir Menschen
können uns nicht selber reinwaschen vor Gott. Das Wasser menschlicher
Frömmigkeit wird deshalb durch Je-sus verwandelt in Wein - Zeichen der
geschenkten Lebensfülle. Denn der Wein ist seit jeher ein Bild der Fülle, der
Freude und des Heils. Und wenn der Kellermeister staunend feststellt, dass der
Wein, den er da schöpft, viel besser ist als der, den es vorher gab, dann heißt
das, dass die Freude, die Jesus bringt, alle uns gewohnten Freuden überbietet!
Die Fülle des Heils und wahre, tiefe, vollkmmene Freude - das will Jesus
bringen. Dazu ist er gekom-men. Und deshalb steht diese Geschichte am Anfang.
Darum braucht es auch nicht mehr anstößig sein, dass Jesus gleich so viel Wasser
in Wein verwandelt hat - in jedem der 6 Krüge gingen immerhin gut 100 Liter! Der
Kirchenvater Hieronymus wurde einmal gefragt, ob die Leute in Kana die große
Menge Wein überhaupt hätten austrinken können. Er antworte-te: "Nein, wir
trinken alle noch davon." Ja. Liebe Schwestern und Brüder, wir können
tatsächlich alle noch davon trinken! Wie kommt das? Nun, die Stunde, von der
Jesus hier so rätselvoll sagt, dass sie noch nicht gekommen sei, sie ist später
eingetroffen. Sie sollte schwer für Jesus werden, so schwer, dass er versucht
war zu beten: "Vater, hilf mir aus dieser Stunde!" und "Lass diesen Kelch an mir
vorübergehen!" Doch er hat sie schließlich auf sich genommen. Es ist die Stunde
seiner tiefsten Erniedrigung, die zugleich seine Erhöhung ist. Es ist die Stunde
des Kreuzes, die Stunde des Leidens und des Todes. Dort, auf Golgatha vergießt
er - der ohne Schuld ist - sein Blut für uns alle, die wir mit unserer Schuld
nicht vor Gott zu treten wagen dürf-ten. Er nimmt unsere ganze Sündenlast auf
sich und will uns davon befreien. Seither - bis heute - gilt die Einladung an
uns alle zum Fest des Heiligen Abendmahls, zum Brot und zum Wein, von dem es
heißt: "Nehmet, trinket, das ist mein Blut des neuen Bundes, das für viele
ver-gossen wird zur Vergebung der Sünden." So können wir heute noch vom Wein des
Heils trinken, den Er schenkt, ja der er selber ist, so wie er das Brot ist, die
Wahrheit und das Leben. Ja: "Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden; Komme, wen
dürstet und trinke, wer will! Holet für euren so giftigen Schaden Gnade aus
dieser unendlichen Füll! Hier kann das Herze sich laben und baden. Jesus ist
kommen, die Quelle der Gnaden." Amen.
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