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Der Predigttext für das Christfest steht im 1. Johannesbrief, Kapitel
3, die Verse 1-3:
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes
Kinder heißen sollen - und wir sind es auch! Darum kennt uns die
Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht. Meine Lieben, wir sind schon Gottes
Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.
Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn
wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeder, der solche Hoffnung auf
ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.
Liebe Gemeinde!
„Seht!"- Liebe Gemeinde, mit dieser Aufforderung zum staunenden Betrachten
beginnt unser heutiger Predigttext: „Seht!" Schaut hin! Öffnet
eure Augen! - Und
wir denken an die Augen unserer Kinder - oder Enkelkinder gestern Abend,
als sie
das Weihnachtszimmer betraten. Wir sehen ihr strahlendes Staunen. Wir
sehen den
Schein der Kerzen, der sich in ihren Augen wiederspiegelte. Wir sehen
ihre Freude
angesichts des strahlenden Lichterbaumes und des reich gefüllten
Gabentisches.
„Seht!" - Wir denken zurück wie das bei uns war, damals als wir
die
Weihnachtsstube betreten durften - und vielleicht meinen wir, dass
es früher noch
um einiges schöner, freudiger, überraschender zuging als
heute, auch wenn der
Gabentisch nicht so voll war. Ja, wir konnten noch staunen und uns
freuen -
damals, als wir Kinder waren.
Und heute? Als Erwachsene? Haben wir diese unschuldige Freude verloren?
Wohl
können wir uns noch freuen an der Freude der Kinder. Aber uns
selber freuen -
wirklich und zutiefst freuen?!
Na ja - schon ein bisschen auch... Aber - so denken wir - schließlich
ist ja nun
mal Weihnachten das Fest der Kinder! Sie vor allem sollen sich daran
freuen - und
wir können uns dann an ihnen freuen. Das ist doch auch was. Aber
ist das alles?
Ist es das, was uns Erwachsenen jedes Jahr mehr oder weniger enttäuscht
sein
lässt über Weihnachten und all dem, was dazugehört?
Wir haben diese kindliche,
unbefangene und unmittelbare Freude verloren.
„Seht!" - sagt uns unser heutiger Bibelabschnitt, wenn das so bei euch
ist, dann
merket auf, seht, schaut genau hin, achtet darauf: „Seht, welch eine
Liebe hat
uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen
- und es auch sind!"
Das heißt doch: Weihnachten, das ist nicht nur ein Fest der Kinder.
Weihnachten,
das ist ein Fest für Erwachsene, weil sie Kinder sein, Kinder
bleiben dürfen, ja
sollen. Gottes Kinder.
„Seht!" - dieses staunende, strahlende Wahrnehmen - das will uns die
Weihnachtsbotschaft heute wieder neu nahebringen.
„Siehe!" - so ruft der Engel des Weihnachtsevangeliums den Hirten zu.
Und das
waren nicht nur kleine Buben wie in unseren Krippenspielen. Das waren
erwachsene,
rauhbeinige Gesellen - keine Unschuldslämmer. Im Gegenteil! Wer
nichts Rechtes
war, der wurde Hirte. Hirten, das waren Leute, denen man nicht über
den Weg
traute. Sie galten als zwielichtige, unglaubwürdige Gestalten.
Jedenfalls wurde
ihr Zeugnis vor Gericht nicht anerkannt.
„Siehe" - so wird es diesen vom Leben an den Rand geschwemmten Männern
zugerufen,
„siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk
widerfahren wird; denn
euch ist heute der Heiland geboren..." Euch - den Hirten und allem
Volk, nicht
nur den Kindern, nicht nur den Unschuldigen, nicht nur den Braven,
den Frommen
und den Rechten! Euch allen gilt: „Seht, welch eine Liebe hat uns der
Vater
erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und es auch
sind!"
Euch allen gilt es, die Ihr so schrecklich erwachsen sein müsst
und so überlegen;
die Ihr ja keine Schwäche zeigen dürft, denn sonst ist man
weg vom Fenster. Euch
gilt es, die Ihr Euren Mann stehen müsst in Arbeit und Beruf,
die Ihr ständig
Leistungen vorzuweisen und Euer Soll zu erfüllen habt; die Ihr
im Geschäft nicht
gefragt werdet, wie Euch heute zumute ist, bei denen es nicht zählt,
ob Zuhause
jemand schwer erkrankt ist - wo man eben trotzdem funktionieren muss
- auch wenn
einem die Sorgen zu ersticken drohen.
„Seht!", vor Gott dürft Ihr Kinder sein. Da braucht Ihr Euch nicht
zu verstellen.
Da dürft Ihr sagen, wie Euch zumute ist - da dürft Ihr sogar
schreien, weinen und
klagen, ja anklagen, so wie es die Psalmdichter getan haben. „Seht!"
Gott hat
seinen Sohn gesandt mitten in das Elend dieser Welt. Stall und Krippe
wollen
sichtbar machen: Gott will nicht erhaben und unerreichbar majestätisch
über
dieser ganzen Welt thronen. Nein, er begibt sich mitten dort hinein,
wo Menschen
leiden, frieren, ungeborgen und ängstlich sind. Dieses Kind, Jesus
von Nazareth,
der Sohn des Höchsten, wird einer von uns, wird unser Bruder,
damit auch wir zu
seinem Vater Vater sagen können.
„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes
Kinder heißen
sollen - und wir sind es auch!" - Das gilt ebenso euch, die ihr euch
als Frauen
und Mütter abplagen müsst im Haushalt, als Erzieherinnen
und oftmals auch noch im
Beruf - und bei dem allem doch wenig Anerkennung erfahrt, weil es eben
als
selbstverständlich angesehen wird, was ihr tut. Ihr seid mehr
- Kinder seid ihr
vor Gott und keine Arbeitsmaschinen.
Die Gestalt der Maria macht das deutlich und in dieser Erkenntnis haben
uns
unsere katholischen Mitchristen etwas voraus: Die Gestalt der Maria,
der
Empfangenden, zeigt, was für eine Würde Gott der Frau gibt.
Sie ist Gefäß seiner
Liebe zu uns Menschen, die väterlich und mütterlich zugleich
ist. Einer Frau
bedient sich Gott, um den Menschen das Heil zu bringen. Und in der
Liebe zu ihren
eigenen Kindern können Frauen vielleicht noch besser nachvollziehen,
was es
heißt: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass
wir Gottes Kinder
heißen sollen, und es auch sind!"
„Dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch!"
- und bleiben es.
Ja, das gilt auch euch, die Ihr euch nicht mehr recht traut, zu diesem
Vater zu
kommen, weil da so Vieles dazwischen steht: Weite Wege, die man gegangen
ist, weg
von ihm, ohne ihn, ganz woanders hin, als er es eigentlich will. Das
gilt vor
allem auch denen, die es gar nicht mehr wagen, dieses Haus hier zu
betreten, die
Kirche, die ja das Vaterhaus sein soll; die meinen, da gehören
sie nicht dazu,
hier sei für sie kein Platz.
Doch - gerade für sie muss hier Platz sein, denn das hier ist
das Haus des
Vaters, der in Liebe und mit offenen Armen jeden Sohn und jede Tochter
aufnimmt,
die zurückkommen, egal wie weit weg sie waren. Und die, die hier
schon länger
Zuhause sind, sollen ihnen den Platz nicht streitig machen und sie
mit ihren
kritischen Blicken vertreiben. Sie sollen sich vielmehr mit dem Vater
freuen,
dass sie gekommen sind.
„Meine Lieben", schreibt der Apostel, „wir sind schon Gottes Kinder"
- wir alle:
auch die schrecklich Erwachsenen, die meinen, alles selber machen zu
müssen; auch
die, die weit weggelaufen sind von diesem Vater und schier nicht mehr
zurückzukommen wagen, die Braven und Frommen und die Schuldigen.
Das Kind in der
Krippe hat uns zu solchen Kindern gemacht, denn es wurde unser Bruder.
Es räumte
alles weg, was uns von seinem Vater trennt, lud es auf sich und trug
es an sein
Kreuz, starb dafür - und schenkte uns das Leben.
Alle, die das im Glauben dankbar annehmen, die dieses Kind ihren Bruder
sein
lassen, sind Gottes Kinder - auch wenn man gar nichts davon merkt.
Nein - man sieht es uns nicht an, dass wir Gottes Kinder sind, ganz
gewiss nicht.
Wir sind nicht anders als andere, nicht besser. Und doch: Wir sind
Gottes Kinder.
Die Welt erkennt das nicht. Wie soll sie es auch, wenn sie den Vater
nicht kennt,
wenn sie von Gott eine falsche Vorstellung hat, wenn sie meint, Gottes
Kinder
müssen perfekt sein, weil der Vater perfekt ist; unfehlbar, wie
der Vater
unfehlbar und allmächtig, weil er allmächtig ist.
So denkt die Welt und so denken oftmals auch wir und scheitern an uns
selber.
Unser Glauben gerät ins Wanken, weil wir es nicht schaffen wie
der Vater zu sein.
Aber wer sagt denn das, dass wir das sein sollen?
Kinder sollen wir sein, dürfen wir sein - ja sind es auch. Kinder
dieses großen
Vaters, der uns nicht überfordern, sondern beschenken will.
Weil wir es nicht schaffen, so groß zu sein wie er - welches
Kind schafft das
schon? - beugt er sich zu uns herunter, ganz weit, ganz tief, damit
wir ihn
erkennen und sehen können, wie er ist - eben nicht unnahbar und
fern, eben nicht
schrecklich vollkommen und allmächtig, sondern voller Liebe und
voll Erbarmen.
Das, liebe Gemeinde, ist Weihnachten:
„Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget;
sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget:
Gott wird ein Kind, träget und hebet die Sünd’!
Alles anbetet und schweiget!"
Gott wird ein Kind, um uns zu seinen Kindern zu machen. Er verschafft
sich in
diesem Kind Zugang zu uns, damit wir den Zugang zu Ihm finden.
Als seine Kinder dürfen wir auch Erben sein. Es ist zwar noch
nicht offenbar
geworden, heißt es hier, was wir einmal als seine Erben sein
werden. „Wir wissen
aber", schreibt der Apostel, „wenn es offenbar wird, werden wir ihm
gleich sein,
denn wir werden ihn sehen, wie er ist." Vollen Zugang werden wir haben
- Leben in
Fülle - ohne Leid, ohne Zeit - in Ewigkeit - Unvorstellbar!
Und, liebe Gemeinde, weil wir Kinder und Erben sein dürfen eines
solchen Vaters,
darum wollen wir auch als solche leben - als Kinder, die dieses Vaters
würdig
sind.
Das ist der Sinn des letzten Verses unseres heutigen Bibelabschnitts,
wo es
heißt: „Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt
sich, wie
auch jener rein ist."
Das ist sehr wichtig, dass wir das richtig verstehen, denn hier gibt
es immer
wieder Missverständnisse:
Nicht durch unsere guten Taten, nicht durch Sündlosigkeit und
Vollkommenheit
werden wir zu Gottes Kindern. Nein, ganz und gar nicht! Niemand von
uns dürfte
sich dann Gottes Kind nennen.
Weil Gott uns zu seinen Kindern macht, weil er uns so viel Liebe erzeigt,
können
- ja müssen wir darauf antworten. Welches Kind, das sich von seinen
Eltern
geliebt weiß und stolz auf seine Eltern ist, wird nicht auch
danach trachten,
ihnen zu gefallen? Es will etwas zurückgeben von dem, was es empfangen
hat. Mit
einem anderen Wort aus diesem 1. Johannesbrief ausgedrückt: „Darin
besteht die
Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt
hat und
gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere sünden."
Nicht unsere Taten machen
uns zu Gottes Kindern, sondern seine Liebe - und diese Liebe dringt
uns, ihm zu
gefallen.
„Seht!", liebe Gemeinde, das ist der ursprüngliche und gute Sinn
vieler unserer
Weihnachtsbräuche: Die Geschenke, z.B., die wir uns machen - sie
wollen Antwort
sein; Antwort auf das große Geschenk, das Gott uns mit seinem
Sohn Jesus Christus
gemacht hat. Leider haben wir vielfach einen Zwang daraus gemacht,
eine
Verpflichtung und ein ständiges Überbieten, das eher Unzufriedenheit
als
Dankbarkeit auslöst.
Und die Kerzen und Lichter, die wir anzünden, sie sollen Widerschein
sein des
Lichtes, das Gott mit diesem Kind in unsere Welt gebracht hat. Sie
sollen nicht
bloß beleuchten und dekorieren, sondern uns innerlich erhellen
und erwärmen. Sie
wollen uns ermutigen, Licht von diesem Lichte hieinzutragen in unsere
oft so
dunkle Welt. So wie wir in diesen Tagen eine Kerze an einer anderen
schon
brennenden anzünden und sie dorthin tragen, wo es noch dunkel
ist, so wollen wir
Licht und Liebe, die Gott uns mit diesem Kind schenkt, annehmen, aufnehmen
und
hinaustragen in unseren Alltag und weitergeben an die, die wie wir
Licht und
Liebe brauchen, um leben zu können.
Weihnachten - ein Fest nicht nur für Kinder. Vielmehr ein Fest
für Erwachsene,
weil sie Kinder sein dürfen, Kinder bleiben dürfen, ja sollen.:
Gottes Kinder,
die sich voller Vertrauen an ihren Vater wenden, alles von ihm erwarten,
alles
von ihm empfangen - und deshalb in allem trachten, ihm zu gefallen.
Amen.
Lied: 41,3-6 Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste
Gebet: Allmächtiger, gnädiger Gott, lieber himmlischer Vater!
Wir preisen dich, dass du Jesus Christus als Heiland und Retter
gesandt hast.
Wir danken dir, Herr, dass du dich so freundlich zu uns wendest und
uns zugute
deinen Sohn, das ewige Wort , hast Mensch werden lassen. Durch ihn
dürfen wir
Kinder sein, deine Kinder, die voller Vertrauen von deiner Liebe leben
können.
Erfülle diese Tage und unser ganzes Leben mit deiner Freude.
Lass uns erkennen, wie wir in Christus wahren Frieden und Versöhnung
empfangen.
Du hast uns erlöst, Herr, du treuer Gott.
So hilf uns jetzt auch umkehren von allen verkehrten Wegen. Stärke
uns, dass dein
Wort in unserem Leben auch Gestalt gewinne und ziehe uns alle hinein
in dein
großes Weihnachtswunder.
Lass vor allem die Menschen dein Kommen und deine Nähe spüren,
die im Elend sind,
weil Hunger oder Krankheit sie plagt, denen es an Liebe und Zuwendung
mangelt,
die gefangen sind äußerlich und innerlich, die Schuldiggewordenen
und die
Verzagten, die Trauernden und Verzweifelten. Sie alle, sie ganz besonders
willst
du zu deinen Kindern machen. Lass sie es erkennen. Lass es Weihnachten
werden bei
ihnen und bei uns, durch Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und
dem
Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
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